Wahl-O-Mat

Der nun schon überall ausgiebig besprochene Wahl-O-Mat (www.wahlomat.de) ist ein nettes Spielzeug, auch wenn ich an dessen fundierter Aussagekraft etwas zweifele. Ich war nun schon des Öfteren dabei, wenn Mitmenschen diesen benutzt haben. In unserer relativ unpolitischen Zeit ist der beste Effekt, den ich feststellen konnte, dass man tatsächlich anfängt, über verschiedene Aussagen zu diskutieren und dass ich teilweise noch gar nichts über die Meinungen einiger Freunde in politischen Grundsatzfragen wusste.

Mein persönliches Ergebnis war nicht weiter überraschend, die Grünen kurz vor den Linken... traditionell wähle ich ja eher die Ökologen, aber ich habe Angst vor einer schwarz-grünen Regierung, und so muss ich ja die Linken wählen. Das hat allerdings etwas leicht Anrüchiges, eigentlich mag ich diese Protest-Wähler-Attitüde nicht, die ich dann in meinen Augen annehme. Taktische Alternative wäre die SPD. Aber damit will ich mich just nicht so recht anfreunden können, Steinmeier, oh jehchen. Auch ich will Schröder zurück, mit seinem chicken Karacho-Wahlkampf!

Andere hatten weniger Glück mit den Wahlempfehlungen. Meine Mitbewohnerin startete den Wahl-O-Mat recht skeptisch mit den Worten: "Nicht, dass da am Ende die Linken rauskommen!" Das war neu. Ich enthielt mich eines Kommentars ob unserer offenbar unterschiedlichen politischen Vorlieben. Man fragt bei WG-Vorstellungsgesprächen halt nicht nach der politischen Einstellung - dann muss man auch die Konsequenzen tragen. Ein bißchen habe mich aber schon gefreut, als bei ihr das Ergebnis angezeigt wurde: Die Familienpartei (!), dicht gefolgt von der Linken.
Das war nur der Anfang des Irrsinns.

Mein Matzalot erhielt die NPD als Wahlempfehlung, Puschel ließ sich von mir niederdiskutieren und bekam dann auch die Grünen heraus. Wenn man nur die Randparteien zum Vergleichen auswählt, stellt man dann eben mal fest, dass die Partei Bibeltreuer Christen ideologisch gar nicht so weit von einem entfernt ist und noch vor der Piratenpartei angezeigt wird.

Ist natürlich auch eine Frage der Herangehensweise, beispielhaft an der Frage, ob Tierversuche komplett verboten werden sollen. Aus reinem Idealismus kreuze ich vollstens überzeugt "yes, we can" an. Andere denken weiter, fragen sich nach Alternativen, wer soll dann die Medikamente testen, sterben kleine Kinder etc pp. Aber ganz im Ernst: ich finde, DAS sollen sich die Politiker überlegen, oder, noch besser, die bösen Pharma-Konzerne. Wähler erteilen nur Aufträge, wir müssen nicht realistisch sein.

A propos Realismus: Wowi for Kanzler! Mei, wär das schön! Der Spiegel hat da ein Konstrukt gebastelt, dass im Falle einer großen Koalition diese nach zwei Jahren aufgelöst werden könnte (Misstrauensvotum) und dann Wowi als Kanzlerreserve bereit steht. Das wäre doch mal entzückend! Nach einer Frau ein Schwuler im Kanzleramt, damit toppen wir sogar den Afroamerikaner an der Spitze der USA. Die haben die Sklaverei immerhin schon 1862 abgeschafft, während bei uns noch vor 70 Jahren Homosexuelle vergast wurden. Das alte Europa hätte mal wieder die Nase vorn.
Impi - 21. Sep, 01:30

Mir ehrlich gesagt unverstänclich, dass jemand der auch nur ansatzweise solidarisch eingestellt ist, ausgerechnet jemanden wie Schröder zurück haben will. Der Mann hat den Sozialstaat zugunsten einer Wirtschaftspolitik beschnitten, deren Grundsätze uns geradewegs in die schlimmste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren geführt haben. Und so ganz nebenbei hat er die SPD - und somit letztlich die parlamentarische Linke - gesplittet, zerstört und eine Bundesregierung ohne CDU-Beteiligung auf die nächsten drei Legislaturperioden verunmöglicht. Und als wäre das nicht genug, arbeitet der gute nun für einen lupenreinen Demokraten. Widerlich.

Aber was soll man wählen?

Kurzzeitig hab ich mal mit den Piraten geliebäugelt, aber die entpuppen sich auch mehr und mehr zu einer Spaßpartei mit "ein bisschen Ernst" und vor allem vielen Rechtsliberalen/-radikalen Spinnern. Und einem insgesamt sehr unpolitisch denkenden Klientel. Der Freiheit die sie proklamieren, können sie kein Verständnis von Verantwortung entgegenbringen. Soweit denkt da auch niemand.

Die Grünen sind aus den genannten Gründen unwählbar. Außerdem geht mir Claudia Roths Empfindlichkeitsjargon gehörig auf den Sack.

Bleibt die Linke. Oskar ist ein alter Brandstifter, der sich nicht erblödet, systematisch am rechten Rand zu fischen. Diesem Haufen von Frustrierten ernsthaft die Stimme zu geben, verbietet sich von selbst. Allerdings kann man sie wohl taktisch wählen, einfach damit die SPD weiter blutet. Solange, bis sie die Ära Schröder endlich mal aufarbeitet und sich für die fatale Politik bei dem schwächeren Drittel der Gesellschaft entschuldigt.

Mein Lesestoff


George R. R. Martin
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Fred Vargas
Die Nacht des Zorns

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