22!
Als ich noch der Kaste der Arbeitslosen angehörte, habe ich auch mit etwas dubiosen Methoden der Geldbeschaffung geliebäugelt. Von mehreren Seiten bekam ich den Hinweis auf Plasmaspenden, und einige Recherchen brachten zu Tage, dass es ein Spendenzentrum in meiner Heimatstadt gab. Schön war deren Werbeslogan: "Retten Sie Leben!" Etwas frech, wo doch allgemein bekannt ist, dass Blustplasma höchstens sehr indirekt Leben rettet. Es wird zu horrenden Preisen an die Pharmaindustrie verkauft, die damit überteuerte Medikamente entwickelt, die sie Schwellenländern oder HartzIV-Empfängern zu realistischen Preisen vorenthält und damit billigend in Kauf nimmt, dass nur die Reichen überleben.*
Nun ja, da ich quasi der HartzIV-Gruppe angehörte und Würde nicht zum Grundbedarf gehört, warf ich meine moralischen Bedenken über Bord und ging fröhlich zur Voruntersuchung, noch nicht ahnend, dass mein Körper moralisch konsequenter war als ich.
Die Voruntersuchung wurde von sehr freundlichem medizinischen Personal vorgenommen, an dem man als Patientin - nein, Kundin heißt das hier - wiederum die Vielfalt osteuropäischer Akzent-Varianten untersuchen konnte. Es war ein merkwürdiges Gefühl - meine körperliche Verwertbarkeit wurde überprüft. Und für gut befunden, ich durfte zum Verkaufen wiederkommen.
Gesagt, getan, ein paar Tage später lag ich mit etwa 40 MitstreiterInnen auf grünen Liegen herum und sah mit leichter Übelkeit dabei zu, wie ziemlich eklig gelb gefärbtes Plasma aus mir heraus gemolken wurde. Dazu wurde eine sehr dicke Nadel benutzt, die von einer jubelnden Schwester in mich hineingestochen wurde ("Nein, was haben Sie tolle Venen! Sonst findet man die bei jungen Frauen kaum! Aber wirklich schön ausgeprägt." Ich sag nur: Klettern. Bizepsader.) Nach etwa einer Stunde war der Spuk vorbei. Sehr freundliche Schwestern entfernten die Nadel und gaben mir den Hinweis, bitte noch ein paar Minuten liegen zu bleiben. Nach etwa einer Minute beschloss ich, dass das mit den "paar Minuten" nur für Weicheier gilt und sprang von der Melkliege, um mich abbinden zu lassen. Gemessenen Schritts ging ich in den Ausgangsbereich und wartete auf mein schickes Pflaster-Klebekreuz, da vor mir noch andere Pat- äh, Kunden dran waren. Kaum stand ich ruhig da, hörte ich ein merkwürdiges Rauschen in meinen Ohren, und die Sicht verschob sich etwas. Ich versuchte noch, möglichst souverän zu gucken, als die Schwester aufsah und fragte: "Alles in Ordnung?" Na gut, durchschaut. Ich hauchte noch "Neehe?", aber schon schallte die Stimme der Schwester durch den Raum: "22!", und mein wegknickender Körper wurde sanft aufgefangen und auf eine Liege drapiert. Gedemütigt lag ich nun im Ausgangsbereich herum, diesmal ohne Zeitschriften, und alle konnten sehen, dass ich zu schwach zum gemolken werden bin. Dabei habe ich sonst eine Konstitution wie ein Pferd, und ich bin noch nie ohnmächtig geworden. Immerhin gab es für eine solche Situation extra einen Code, also schien das Umkippen recht gängig zu sein.
Das Schlimmste daran aber erschien erst zwei Tage später: ein monstermäßiger blauer Fleck um die Einstichstelle herum. Was zum Teufel! Die doofe Null hatte meine Vene durchstochen (dabei war die schon so veritabel ausgeprägt, was machen die denn mit den normalen jungen Frauen? Nehmen die da eine Axt?), und alles Blut lief fleißig in mein Muskelgewebe, gerann und mein Arm sah so appetitlich wie Gammelfleisch aus. Fassen wir zusammen: Ich hatte Teile meines Körpers für 15 Euro verkauft, bin dafür ohnmächtig und gedemütigt worden, lag zwei Stunden sinnlos herum und sah eine Woche wie ein Prügelopfer aus. Fazit: lohnt sich nicht.
*Ist polemisch, aber des Pudels Kern!
Nun ja, da ich quasi der HartzIV-Gruppe angehörte und Würde nicht zum Grundbedarf gehört, warf ich meine moralischen Bedenken über Bord und ging fröhlich zur Voruntersuchung, noch nicht ahnend, dass mein Körper moralisch konsequenter war als ich.
Die Voruntersuchung wurde von sehr freundlichem medizinischen Personal vorgenommen, an dem man als Patientin - nein, Kundin heißt das hier - wiederum die Vielfalt osteuropäischer Akzent-Varianten untersuchen konnte. Es war ein merkwürdiges Gefühl - meine körperliche Verwertbarkeit wurde überprüft. Und für gut befunden, ich durfte zum Verkaufen wiederkommen.
Gesagt, getan, ein paar Tage später lag ich mit etwa 40 MitstreiterInnen auf grünen Liegen herum und sah mit leichter Übelkeit dabei zu, wie ziemlich eklig gelb gefärbtes Plasma aus mir heraus gemolken wurde. Dazu wurde eine sehr dicke Nadel benutzt, die von einer jubelnden Schwester in mich hineingestochen wurde ("Nein, was haben Sie tolle Venen! Sonst findet man die bei jungen Frauen kaum! Aber wirklich schön ausgeprägt." Ich sag nur: Klettern. Bizepsader.) Nach etwa einer Stunde war der Spuk vorbei. Sehr freundliche Schwestern entfernten die Nadel und gaben mir den Hinweis, bitte noch ein paar Minuten liegen zu bleiben. Nach etwa einer Minute beschloss ich, dass das mit den "paar Minuten" nur für Weicheier gilt und sprang von der Melkliege, um mich abbinden zu lassen. Gemessenen Schritts ging ich in den Ausgangsbereich und wartete auf mein schickes Pflaster-Klebekreuz, da vor mir noch andere Pat- äh, Kunden dran waren. Kaum stand ich ruhig da, hörte ich ein merkwürdiges Rauschen in meinen Ohren, und die Sicht verschob sich etwas. Ich versuchte noch, möglichst souverän zu gucken, als die Schwester aufsah und fragte: "Alles in Ordnung?" Na gut, durchschaut. Ich hauchte noch "Neehe?", aber schon schallte die Stimme der Schwester durch den Raum: "22!", und mein wegknickender Körper wurde sanft aufgefangen und auf eine Liege drapiert. Gedemütigt lag ich nun im Ausgangsbereich herum, diesmal ohne Zeitschriften, und alle konnten sehen, dass ich zu schwach zum gemolken werden bin. Dabei habe ich sonst eine Konstitution wie ein Pferd, und ich bin noch nie ohnmächtig geworden. Immerhin gab es für eine solche Situation extra einen Code, also schien das Umkippen recht gängig zu sein.
Das Schlimmste daran aber erschien erst zwei Tage später: ein monstermäßiger blauer Fleck um die Einstichstelle herum. Was zum Teufel! Die doofe Null hatte meine Vene durchstochen (dabei war die schon so veritabel ausgeprägt, was machen die denn mit den normalen jungen Frauen? Nehmen die da eine Axt?), und alles Blut lief fleißig in mein Muskelgewebe, gerann und mein Arm sah so appetitlich wie Gammelfleisch aus. Fassen wir zusammen: Ich hatte Teile meines Körpers für 15 Euro verkauft, bin dafür ohnmächtig und gedemütigt worden, lag zwei Stunden sinnlos herum und sah eine Woche wie ein Prügelopfer aus. Fazit: lohnt sich nicht.
*Ist polemisch, aber des Pudels Kern!
sakra - 12. Dez, 11:35
https://suessestraeumerle.twoday.net/stories/4587314/